Lieber über Stock und Stein? Hier lesen Sie unseren Mountainbike-Sattel-Test.
Beim Thema Rennradsattel verblüfft die Vielfalt, die sich dem komfortinteressierten Käufer bietet. Zwar gibt es nach wie vor ultraleichte »Folterbänke«, wie man sie von früher kennt. In den letzten dreißig Jahren, seitdem der Mountainbike-Boom der Neunzigerjahre für einen ordentlichen Innovationsschub auch bei den Sätteln sorgte, hat sich jedoch viel getan. Der Markt ist größer geworden, die Hersteller haben diversifiziert. Am Ende profitiert der Käufer davon.
So richtig viel kann man an einem Sattel ja streng genommen nicht testen, könnte man meinen – es ist ja nicht viel dran. Genauso könnte man aber auch sagen, es gäbe keine eklatanten Unterschiede bei Sofasesseln – zudem ist der Sattel neben Lenkergriffen und Pedalen das entscheidende Verbindungsteil zwischen Fahrer und Fahrrad und trägt damit nicht unwesentlich zum Gelingen einer Tour bei. Da er daher definitiv zu den Teilen des Fahrrades gehört, die über Spaß oder Leid entscheiden können, lohnt sich also ein genauerer Blick.
Im Test nehmen wir die unterschiedlichsten Fahrradsättel unter die Lupe – vom günstigen Komfortsattel für Einsteiger bis hin zum unter 200 Gramm leichten Top-Sattel. Wie so oft bei Fahrradausrüstung ist mehr ausgeben immer möglich – es gibt auch ultraleichte Carbonsättel für mehr als 400 Euro, die dann sogar die 100-Gramm-Grenze locker knacken. Wir haben uns daher bemüht, das Preisniveau im Auge zu behalten, der teuerste Sattel im Test geht für rund 150 Euro über den Ladentisch.
Im Test haben wir 11 Modelle aufs Rennrad geschraubt, neben bekannten Sattelmarken konnten auch andere Hersteller überzeugen.
Kurzübersicht
Mit dem Fly Arteria Men hat Terry einen schön verarbeiteten Vielseiter im Programm, der für einen anständigen Preis einen breiten Einsatzbereich abdeckt und einen ebenso breiten Käuferkreis anspricht. Der robuste Sattel wird in verschiedenen Breiten angeboten, bei der Polsterung geht Terry einen Mittelweg zwischen komfortabel, aber noch nicht zu schwammig.
Der Bontrager Arvada Elite ist so geradlinig designt wie komfortabel gepolstert – und eine kleine Überraschung im Testfeld, da Bontrager nicht unbedingt zu den erfolgreichsten Sattelmarken gehört. Der schön verarbeitete Sattel besticht durch seinen stromlinienförmigen Look, das relativ leichte Gewicht von 236 Gramm und einen breiten Einsatzbereich.
SQlab zeigt mit dem 612 Ergowave S-Tube, wie ein komfortabler, leichter und durchdachter Multifunktionssattel im Jahr 2022 auszusehen hat. Zwar ist der in vier Breiten erhältliche Sattel nicht ganz günstig, dafür erhält man für rund 140 Euro ein rundum ausgereiftes Produkt. Der SQlab 612 Ergowave S-Tube lässt die Herzen komfortbewusster Rennradfahrer höherschlagen und setzt Maßstäbe.
Will man einen echten Gentleman unter den Sätteln, kommt man nur schwerlich um den Ergon SR Allroad Core Comp Men herum. Der Sattel öffnet komfortbewussten Rennradlern und Nutzern anderer Fahrradarten Tür und Tor zu Touren aller Längen. Der Preis bleibt ihm Rahmen, der Komfort des Sattels des deutschen Ergonomie-Pioniers ist Testspitze.
Der Wittkop Medicus Twin 7.0 ist unser Test-Tipp für Sparfüchse. Der je nach Webshop nur rund 30 Euro teure Sattel richtet sich an preisbewusste Gelegenheitsfahrer, die für ihre Ausrüstung nicht zu tief in die Tasche greifen wollen. Zwar kommt der 264 Gramm schwere Sattel von der Verarbeitung her nicht an einen SQlab oder Bontrager heran, dafür bekommt man mit ihm einen ausreichend komfortablen Sattel für gelegentliche Ausfahrten bis 50 Kilometer Länge.
Vergleichstabelle
- Überzeugendes Preis-Leistungs-Verhältnis
- Schöne Verarbeitung
- Toller Sitzkomfort
- Etwas schwer
- Geradliniges Design
- Hoher Sitzkomfort
- Leicht
- Ausgeklügelte S-Sattelform
- Sehr leicht
- Tolle Performance auf Kurz- wie Langstrecken
- Vier verschiedene Breiten
- Relativ teuer
- Sehr straff abgestimmt
- Innovative, effektive Dämpfung
- Faires Preis-Leistung-Verhältnis
- Ausgezeichneter Komfort
- Etwas schwer
- Tolles Preis-Leistungsverhältnis
- Sitzkomfort für Kurzstrecken ausreichend
- Fragwürdige Haltbarkeit
- Fragwürdiger Komfort auf Langstrecken
- Herausragender Komfort
- Ausgezeichnete Verarbeitung
- Verschiedene Breiten
- Zusatzausstattung erhältlich
- Teuer
- Leicht
- Modernes Design
- Faires Preisniveau
- Etwas gewöhnungsbedürftige Form
- Schmaler Einsatzbereich
- Leicht
- Klassische Form
- Relativ hart
- Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
- Ordentlicher Sitzkomfort
- Etwas schwer
- Auf Langstrecken schwammig
- Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
- Schwammiges Sitzgefühl
- Fragwürdige Haltbarkeit
- Relativ schwer
- Toller Sitzkomfort auf Kurzstrecken
- Sehr schwer
- Auf Langstrecken sehr schwammig
Alle Infos zum Thema
Flinke Sitze: Rennradsättel im Test
Bei Sätteln für Rennräder gibt es einige Faktoren zu beachten – wir haben uns auf Form, Breite, Gestänge und Polsterung konzentriert. Im Folgenden erläutern wir, worauf es wirklich ankommt.
Form
Form follows function – das gilt bei wenigen Fahrradbauteilen so wie beim Sattel. Und doch werden die Sattelentwickler nicht müde, auch hier zu experimentieren. Das Ergebnis ist eine Vielfalt an Sattelformen. Sahen die meisten Sättel vor rund 30 Jahren noch gleich oder zumindest ähnlich aus, hat mit dem Mountainbike-Boom der Neunzigerjahre eine kleine Design-Revolution eingesetzt, die sich insbesondere bei Komfort und Sitzposition positiv ausgewirkt hat.
Zwar gibt es nach wie vor leichtgewichtige »Folterbänke«, bei denen auf Kosten der Polsterung um jedes Gramm gefeilscht wird, auf der anderen Seite finden sich jedoch Sättel wie die im Test prämierten, die leicht und komfortabel sind.
Breite
Wir schrieben bereits über die Form – die Sattelbreite ist unmittelbar damit verbunden. Bereits vor einem Vierteljahrhundert machten sich Hersteller wie SQlab und Specialized daran, ihre Sättel in verschiedenen Breiten anzubieten. Der Grund ist einleuchtend: Nicht jedes Gesäß ist schließlich gleich. Maßgeblicher Faktor für die Auswahl der Sattelbreite ist der Sitzknochenabstand.
SQlab entwarf einen speziellen Hocker, mit dessen Hilfe der Abstand der Sitzknochen bestimmt werden kann. Hokuspokus, dachten viele am Anfang – doch die Breitenauswahl entsprechend den Sitzknochen macht speziell bei Radfahrern, die buchstäblich viel im Sattel sitzen, durchaus Sinn. Denn der Komfortunterschied in Sachen Sitzposition zu einem Standardsattel ist, zumindest bei richtiger Auswahl, frappierend. Im Test haben wir mehrere Sättel unter die Lupe genommen, die in verschiedenen Breiten angeboten werden, darunter die Modelle von Specialized, Terry und SQlab.
Gestänge
Sattelgestänge ist nicht gleich Sattelgestänge! Wie bei anderen gewichtskritischen Fahrradteilen auch bestehen die dünnen Stangen, mit denen Fahrradsättel auf der Sattelstütze befestigt werden, aus den unterschiedlichsten Materialien. Neben klassischem Chrom-Molybdän-Stahl, der bei günstigeren Sätteln verwendet wird, finden sich bei teureren Sätteln Titangestänge und verschiedene Legierungen, zum Beispiel Austenit, einer Stahlsorte mit mehr als sechs Prozent Nickelanteil.
Allen Materialien ist gemein, dass sie relativ verwindungssteif sind und die Schläge, die auf den Sattel einwirken, abfedern bzw. wegstecken können, ohne sich dauerhaft zu verformen.
Polsterung
Polster ist nicht gleich Polster: Das gilt nicht nur beim Sofa. War vor 20 bis 30 Jahren, wie bei Laufschuhen auch, ein Gel-Einsatz der große Hit, ist es heute statt Gel eher eine ausgeklügelte Schaumstoffpolsterung aka »Memory Foam«. Zwar spielt Gel durchaus noch eine Rolle, aber eher am Rande: Kunststoffe, oftmals auch speziell gefertigte Polster, und Dämpfungsmaterialien wie beim Ergon geben den Ton an.
Weniger empfehlenswert sind Sättel, die komplett aus einem Material aufgeschäumt wurden. Sie sind in der Regel nicht nur schneller kaputt, sondern auch butterweich und damit eher nur für Kurzstrecken auf dem Rennrad zu empfehlen.
Unser Favorit
Der Terry Fly Arteria Men war der erste Sattel, den wir unter die Lupe nahmen. Der 79,90 Euro (UVP) teure Sattel, der mit einem robusten Chrom-Molybdän-Gestänge angeboten wird, durfte uns gleich mal bei einer höhenmeterreichen Alpenüberquerung mit einem Brompton-Klapprad begleiten. Extrem-Test!
Kurz gesagt, wir waren auf Anhieb begeistert – und wollten den Sattel gar nicht mehr wechseln. Terry ist schon ein paar Jahre auf dem Markt und hat an seinen Produkten gefeilt. Im Falle des Fly Arteria Men ist ein sehr komfortabler, ausgewogen gedämpfter und nicht zu schwammiger Sattel herausgekommen, der eine breite Käuferschicht anspricht. Egal ob lange Passfahrt bei Regen, schnelle Sprints oder Passagen auf dem Feldweg – der Arteria begeistert durch einen tollen Sitzkomfort und vor allem auch durch ein ausgewogenes Dämpfungsverhalten.
Zwar gehört er mit seinen 255 Gramm nicht zu den leichtesten Satteln, dafür ist die Verarbeitung sehr hochwertig und das Preisniveau mehr als angemessen. Der deutsche Hersteller Terry empfiehlt den Sattel für den Einsatz auf dem Rennrad als auch auf dem Mountainbike – dieser Empfehlung können wir folgen. Wer keine großen Experimente machen und einen Sattel erwerben möchte, der mit einem tollen Sitzkomfort punkten kann, ist beim Terry Fly Arteria Men sehr gut aufgehoben.
Terry Fly Arteria Men im Testspiegel
Derzeit gibt es noch keine ausführlichen Testergebnisse für unseren Testsieger, den Terry Fly Arteria Men. Sobald sich dies ändert, aktualisieren wir den Testbericht entsprechend an dieser Stelle.
Alternativen
Bontrager und Sättel? Die amerikanische Zubehörmarke, die ihr Geschäft schon länger unter den Fittichen des Fahrrad-Giganten Trek betreibt, bringt man nicht sofort mit Fahrradsätteln in Verbindung, zumindest ist der Zusammenhang nicht so klar wie bei italienischen Sattelmarken wie Selle Italia, Fizik oder auch beim US-Hersteller Specialized.
Als wir uns daher vor einigen Jahren für einen Sattel der Marke Bontrager entschieden haben, damals ein Vorgänger des Arvada Elite, waren wir von der Performance des Sattels positiv überrascht. Der Hersteller hat einen schönen Mittelweg zwischen Komfort und straffer Abstimmung gefunden – ohne viel Hokuspokus. Zwar hat auch Bontrager die ein oder andere Technologie an Bord, darunter zum Beispiel die Zone Density-Schalenkonstruktion für optimalen Komfort, das sieht man dem dezent gestalteten Sattel jedoch kaum an.
Im Test setzen wir den in drei verschiedenen Breiten erhältlichen Sattel von Bontrager auf einigen MTB- und Rennradtouren bis etwa 80 Kilometer Länge ein und erfreuen uns seines homogenen Sitzkomforts. Hier ist nichts zu weich – aber auch nicht zu hart. Sofort können wir uns vorstellen, den Sattel auch auf der Langstrecke weit jenseits von 100 Kilometern einzusetzen. Genau diese Vielseitigkeit zeichnet den Sattel dann auch aus – er ist sozusagen die eierlegende Wollmilchsau unter den getesteten Sätteln.
SQlab ist schon seit Jahrzehnten ein Begriff für ergonomisch durchdachte Fahrradausrüstung – speziell mit komfortablen Griffen und Sätteln hat sich das Unternehmen aus Taufkirchen bei München einen Namen gemacht. Der von uns getestete 612 Ergowave stellt somit den aktuellen Stand einer langen Entwicklung dar – und das merkt man dem nur 190 Gramm schweren Sattel auch beim ersten Draufsetzen an.
Im Test tut der 612 Ergowave erstaunlich unauffällig seinen Dienst. Genau so soll es sein – hier drückt und zwickt nichts, hier bilden sich keine unangenehmen Falten, das Gewicht verteilt sich optimal. Auffällig ist die S-Form des Sattels. Das Heck liegt deutlich höher als die Front, dazwischen liegt eine »Mulde« von SQlab liebevoll »Dip« getauft. Die Vertiefung soll Druck vom Dammbereich wegnehmen: In der Praxis funktioniert das verblüffend gut.
Dass sich SQlab als eine der ersten Firmen im Sattel-Sektor auf die Konstruktion von »Gesundheitssätteln« spezialisiert hat, fällt jedenfalls auf. Egal ob Kurz- oder Langstrecke, egal ob Rennrad oder Mountainbike, der 612 ist ein überaus komfortabler Allrounder, der Lust auf mehr macht. Aber Achtung: Er verlangt nach einem trainierten Gesäß, da er relativ hart ist – man sollte also bereits Erfahrungen mit SQlab oder anderen Sattelmarken gemacht haben.
Für SQlab typisch ist auch die große Breitenauswahl. Den Sattel gibt es in 12, 13, 14 und 15 Zentimetern Breite. Um die jeweils richtige Breite herauszufinden, legt der Hersteller dem Sattel ein »Vermiss-mich-Set« bei, mit dessen Hilfe man auch ohne Besuch beim Fachhändler den Sitzhöcker-Abstand feststellen kann.
Ergon setzt beim SR Allroad Core Comp auf Technik aus dem Hause BASF. Richtig gelesen, der Chemieriese aus Mannheim hat seine Fühler schon lange auch Richtung Outdoor-Markt ausgestreckt. In Falle des Ergon-Sattels steuert die Badische Anilin und Soda Fabrik jedoch keine Chemikalien bei, sondern ein raffiniertes Dämpfungsmaterial.
Bei einem flüchtigen Blick unterscheidet sich der Ergon SR Allroad Core Comp wenig von Modellen wie dem SQlab oder Terry. Doch in der Draufsicht fällt auf, dass das Modell des deutschen Herstellers im Gegensatz zu SQlab, Terry & Co ohne Aussparung zur Entlastung des Dammbereichs auskommt.
Bei genauerer Betrachtung fällt zudem die Zwischenschicht zwischen Obermaterial und Unterbau auf. Hier kommt das bereits erwähnte »Infinergy«-Material zum Einsatz, das beispielsweise auch bei Adidas-Laufschuhen verwendet wird. Es sorgt für eine »vollflächige Stoßabsorption«, wie es Ergon nennt. Das merkt man schon beim ersten Draufsetzen. Der immerhin fast 300 Gramm schwere Sattel (ein leichteres Pro-Modell ist erhältlich), birgt einen erstaunlich satten Sitzkomfort. Die Dämpfungseigenschaften sind ausgezeichnet, Ergon verspricht nicht zu viel.
Nicht zuletzt hat uns begeistert, dass der SR Allroad Core Comp so wunderbar unauffällig seinen Dienst verrichtet – ganz ohne Starallüren. Im Gegensatz zu leichteren Sätteln kann man ihn durchaus auch mal ohne Fahrradhose mit Sitzpolster fahren. Deshalb haben wir ihn im Test auch schnell für den Alltagseinsatz lieb gewonnen. Ein Understatement-Sattel, der definitiv eine sinnvolle Investition in ein glückliches Radlerleben darstellt!
Der Wittkop Medicus Twin 7.0 hat uns überrascht. Mit einem günstigen Preis von rund 30 Euro gehört der Sattel des nordrhein-westfälischen Unternehmens zu den günstigeren Modellen im Test, kann aber in Sachen Komfort – zumindest auf Kurzstrecken bis 50 Kilometer – durchaus überzeugen.
Um dem Wittkop ein wenig auf die Sattelstreben zu klopfen, montieren wir ihn aufs Rennrad und testen ihn auf dem Rollentrainer – kurz nachdem wir mit dem Fizik Vento Argo R5 einen deutlich teureren Sattel testeten. Hand auf’s Herz: Nur Profis werden hier auf Anhieb einen eklatanten Unterschied bemerken.
Gleich mehrere Tage lassen wir den Wittkop anschließend auf dem Trekkingrad und nehmen Fahrten bis 30 Kilometer unter die Reifen. In diesem Distanzbereich fühlt sich der günstige Sattel wohl – für längere Distanzen würden wir hingegen zu einem technisch ausgereifteren Modell wie dem Terry raten. Aber wie gesagt: Wer mit einem knappen Budget zurechtkommen muss, wird den Wittkop lieben!
Außerdem getestet
Specialized Phenom Expert
Im Testfeld liegt der Specialized Phenom Expert mit seiner UVP von 150,- Euro im obersten Preissegment. Für diese Investition bekommt man ein sehr sauber und ordentlich verarbeitetes Produkt – man merkt, dass Specialized mit den Jahren eine umfangreiche Expertise im Bereich ergonomischer Fahrradsättel aufgebaut hat. Die von uns getestete Variante hat eine Breite von 143 Millimetern und bringt 248 Gramm auf die Waage – ein fairer Wert, aber noch kein Spitzenwert.
Der Phenom Expert hat eine carbonverstärkte Schale mit leicht flexiblen Kanten, ein Gestell aus Titan und bietet durch die PU-Schaumstoffpolsterung einen für unseren Geschmack guten Kompromiss zwischen Komfort und Kontrolle. Auch bei der Oberfläche gelingt Specialized der Spagat zwischen Reibungsarm aber nicht zu rutschig, sehr gut. Clever gelöst: Zwei in dem hinteren Bereich der Sattelschale eingearbeitete Gewinde ermöglichen das direkte Anschrauben von SWAT-Zubehör (z. B. die Bandit-Schlauchhalterung und Reserve-Rack-Flaschenhalterung). Specializeds im Labor entwickeltes Body-Geometry-Design, das bereits seit Jahrzehnten für mehr Fahrkomfort sorgt, soll zudem für eine »optimale Durchblutung der empfindlichen Arterien« sorgen.
Doch genug der grauen Theorie – schnell ist der Sattel montiert und es geht mit dem Rennrad bei herrlicher Herbstsonne ab in die Berge vor der Haustür. Unsere unmittelbare Einschätzung nach den ersten Metern: sehr gut! Beim Sattel kann der erste Eindruck jedoch auch täuschen. Sicher kann man sich erst nach ein paar Stunden sein. Aber der Phenom Expert erfüllt unsere Erwartungen auch nach längerer Zeit auf dem Rennrad noch voll und ganz. Er fährt sich komfortabel, sorgt für ein direktes Fahrgefühl und verrichtet seinen Dienst unauffällig. Mit dem Phenom Expert erhält man als ambitionierter Radfahrer einen nicht ganz günstigen, jedoch sehr gut verarbeiteten, relativ leichten und sehr funktionellen Sattel für Mountainbike und Rennrad.
Selle Italia SLR TM Flow R2
Der Selle Italia SLR TL Flow SM2 ist Nachfahre einer im wahrsten Sinne des Wortes alteingesessenen Sattelfamilie. Schon der erste SLR, der vor rund einem Vierteljahrhundert auf den Markt kam, richtete sich primär an eine Käuferschicht: Gewichtsfetischisten, die das Gesamtgewicht ihres Rennrads auf ein Minimum reduzieren wollen.
Zwar haben sich in der Zwischenzeit einige leichtere Sättel auf dem Markt bequem gemacht – der SLR ist aber immer noch gut dabei. So gut, dass Selle Italia eine ganze Produktfamilie um den SL gruppiert hat – darunter ein Modell, für das Selle Italia 450 Euro (!) abruft. Da ist der TL Flow SM 2 mit seinen rund 80 Euro schon günstiger.
Im Test nehmen wir den Sattel auf einer gut 100 Kilometer langen Tour auf dem Rennrad unter den Hintern. Schnell wird klar: Selle Italia bleibt auch bei diesem Modell seiner Linie treu. Der ansonsten sehr sorgfältig gefertigte Sattel kommt beim Komfort dann doch nicht ganz an die Innovationsträger von SQlab, Ergon und Terry heran. Wer den klassischen SLR-Look liebt, wird sich jedoch auch diesen jüngeren Spross der SLR-Familie ans Rennrad schrauben.
Fizik Vento Argo R5
Bei Fizik ist schon der Name Programm: Das zur italienischen Selle Royal-Gruppe gehörende Unternehmen mag es gerne unkonventionell. Als die Italiener 1996 auf den Markt traten, mischten sie die Szene ordentlich auf. Auch dem Vento Argo R5 ist der rebellische Geist anzumerken. Sein Stealth-Design, das im Vergleich mit den anderen Sätteln recht eckig und kantig ausfällt, verleiht ihm ein extravagantes Aussehen. Im Vergleich fällt die Sattelnase recht kurz aus. Das soll Reibungsstellen verringern, geht aber zulasten der Kontrolle. Wer gerne mit Liegelenker fährt, wird das hingegen zu schätzen wissen.
Wir haben uns etwas schwergetan mit dem Fizik und wollten ihn keinesfalls aufgrund seines Aussehens vorverurteilen, und doch – die Abstimmung des Sattels ist sehr straff, er kommt nicht ganz an den Komfort eines Bontrager oder Ergon heran. Der Einsatzbereich ist einfach etwas schmaler als bei der Konkurrenz. Trotzdem: Für Rennradfans, die dem Look ihres Bikes einen weiteren technischen Akzent hinzufügen wollen und vor allem schnell und aggressiv unterwegs sind, ist der Italiener ein empfehlenswertes Accessoire.
Selle Montegrappa Liberty XC 1400
Selle Montegrappa Liberty XC 1400 – der Name dieses knallblauen Sattels klingt schon mal so richtig in den Ohren. Wer genauer nachschaut, erkennt, dass der nur circa 23 Euro teure Sattel sogar Made in Italy ist – erstaunlich bei diesem Preisniveau. Von der Konstruktion her gehen die Italiener keine Risiken ein: Der Liberty XC 1400 ist klassisch stromlinienförmig gestaltet. Zwar hat er eine Aussparung zur Entlastung des Dammbereichs in der Sattelmitte – Selle Montegrappe macht aber sonst keine Experimente, was das Heck und andere Sattelpartien angeht.
Im Test performt der blaue Sattel zunächst ganz gut. Als wir aber bei unserer Rennradrunde die 30-km-Grenze überschreiten, wünschen wir uns eine etwas straffere Abstimmung. Der Liberty XC 1400 wirkt etwas schwammig. Zwar dämpft er Schläge gut weg, die Kontrolle über das Rennrad leidet hingegen. Das mag Hobbyradlern, deren Distanzen die 30-km-Grenze selten überschreiten, egal sein. Wer gerne länger im Sattel sitzt, sollte jedoch zu einem etwas straffer abgestimmten Modell greifen.
Selle Royal Concorde
Der Selle Royal Concorde rundet das Testfeld preislich nach unten ab. Nicht einmal 15 Euro muss man für den pechschwarzen Sattel berappen. Dafür bekommt man einen recht sportlich aussehenden Sattel, der in Italien hergestellt wird. Beim zweiten Blick erkennt man jedoch schon die für die Preisklasse typischen Nachteile. Der Sattel besteht aus einem Stück Polypropylen. Dieses Material ergibt eine sehr weiche, schwammartige Sitzoberfläche. Der mit einem Stahlgestell ausgestattete Sattel wiegt 330 Gramm – das bedeutet im Gewichtsranking Platz zwei hinter dem Velmia.
Im Test nehmen wir den Sattel auf eine kurze 15-Kilometer-Runde auf dem Rennrad mit, die unsere Vermutung bestätigt: Für kurze Besorgungsfahrten ist der Selle Royal Concorde geeignet. Wer weiter fahren will, wird vom Komfort enttäuscht sein. Zwar sitzt man auf dem butterweichen Sattel fast wie auf einem Sofa, mit einer ausgeklügelten Sattel-Sitzfläche hat das jedoch nichts zu tun.
Ein weiteres Manko ist die kürzere Haltbarkeit von komplett aufgeschäumten Sätteln wie dem Concorde. Im Gegensatz zu Sätteln, bei denen das Obermaterial auf den Sattelkorpus aufgeschweißt oder aufgenäht wird, neigen aufgeschäumte Sättel früher oder später zum Zerbröseln. Das dauert zwar seine Zeit – je häufiger der Sattel jedoch UV-Strahlung und der Witterung ausgesetzt ist, desto schneller gibt er den Geist auf. Im Vergleich muss sich der Concorde nur wenig teureren, aber für längere Strecken deutlich besser geeigneten Sätteln wie dem Wittkop geschlagen geben.
Velmia MTB Sattel
Der Velmia ist das Kanapee unter den Testsätteln. Mit seinem Memory-Foam-System soll der Sattel über einen herausragenden Sitzkomfort verfügen – speziell bei längeren Touren. Auf der Verpackung steht jedoch bereits »MTB« – ihn in einem Rennradsattel-Test unter die Lupe zu nehmen, ist im Grunde genommen unfair.
Von daher halten wir uns zurück, was eine allzu strenge Bewertung angeht. Mit knapp 400 Gramm Gewicht ist er mit Abstand der schwerste Sattel im Test. Wer ihn sich aufs Rennrad schraubt, muss also schon ein gesteigertes Interesse an Sitzkomfort haben. Hat man ihn einmal oben, sitzt es sich in der Tat sehr angenehm – nicht ganz so schwammig wie beim Selle Royal Concorde. Allerdings zeigt sich auch hier, dass wir den Velmia entgegen einiger Kommentare auf der Hersteller-Website, der Sattel würde sich insbesondere für den Langstreckeneinsatz eignen, nicht für Strecken länger als 40 bis 50 Kilometer empfehlen können.
Wobei hier wieder die Frage ist, was als Langstrecke gilt – bei eifrigen Amateursportlern mag alles unter 50 Kilometer als Kurzstrecke gelten, für Hobbyradler sind womöglich 30 Kilometer schon eine Langstrecke. Wie dem auch sei: In diesem Test hat es der Velmia schwer.
So haben wir getestet
Alle Sättel wurden auf unterschiedlichen Rennrädern und Mountainbikes auf verschiedenen Streckenlängen zwischen 2 und 120 Kilometer getestet – auch eine Alpenüberquerung war dabei.
Um ein umfassenderes Bild zu erhalten, wurde zwischen den Sätteln hin- und hergewechselt. Der Testzeitraum betrug etwa drei Monate. Ansonsten beurteilten wir die Sättel nach Verarbeitung, Polsterung, Form, Breite und Gestänge.
Die wichtigsten Fragen
Welcher Rennradsattel ist der beste?
Der beste Rennradsattel ist für uns der Terry Fly Arteria. Er ist gut verarbeitet, kommt mit angenehmer Polsterung und deckt viele Einsatzbereiche ab. Noch dazu ist er in verschiedenen Breiten erhältlich – ein perfekter Allrounder also! Es gibt in unserem Test aber auch interessante Alternativen.
Was zeichnet Rennradsättel aus?
Im Vergleich zu City- und Trekkingradsätteln sind Rennradsättel schmaler, weniger stark gepolstert und leichter. Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch leichte Sättel erstaunlich komfortabel sein können – in Sachen Sattel-Technologie ist in den vergangenen Jahrzehnten viel passiert. Besonders, was das Gestänge und den Sattelkorpus angeht, probieren sich die Hersteller gerne aus – von Titan über Carbon bis hin zu leichtem Aluminium ist hier vieles zu finden.
Wie viel darf ein Rennradsattel kosten?
Die meisten Rennradsättel siedeln sich im Bereich von 70 bis etwa 150 Euro an. Alles, was unter 50 Euro liegt, sind Schnäppchen, gibt man mehr als 150 Euro aus, ist das meist mit dem Wunsch nach einem besonders leichten Sattel verbunden. In der goldenen Mitte finden sich die (meisten) Modelle, die wir auch im Test unter die Lupe genommen habe
Welchen Zweck hat die Aussparung in der Sattelmitte?
Bei vielen Sätteln befindet sich in der Sattelmitte ein Schlitz, der den Druck vom Dammbereich nehmen soll. In der Regel funktioniert das ganz gut – und doch gibt es Hersteller wie SQLab, die stattdessen mit einer (länglichen) Vertiefung arbeiten. Will man in Sachen Komfort auf Nummer sicher gehen, lohnt sich in jedem Fall ein genauerer Blick auf ergonomisch durchdachte Modelle. Besonders auf Langstrecken steigt der Fahrspaß unter Umständen deutlich!
Kann man einen Sattel für alles verwenden?
Gute Frage! Wer nicht sonderlich anspruchsvoll ist, kann das durchaus tun – also zum Beispiel das gleiche Sattelmodell auf dem Gravelbike, dem Rennrad, dem Citybike, dem Trekkingrad und dem Mountainbike verwenden. Trotzdem erfüllt jeder Satteltyp seinen ganz spezifischen Zweck. Cityrad-Sättel sind breit und weich, Gravel- und Rennradsättel schmal, tendenziell weniger stark gedämpft und leicht, Mountainbike-Sättel im Idealfall etwas härter im Nehmen.
Spielt das Sattelobermaterial noch eine Rolle?
Die guten alten Zeiten, in denen man seinen Ledersattel vor Wind und Wetter schützen und pflegen musste, sind vorbei. Zwar gibt es immer noch Ledersattel-Afficionados, die ihrem Brooks oder Lepper-Sattel die Treue halten, die meisten modernen Sättel sind jedoch wetterresistent. Das bedeutet auf der anderen Seite jedoch nicht, dass man sein Rad für längere Zeit im Freien stehen lassen sollte. Ein moderner Kunstleder/Kunststoff-Sattel mag viel aushalten, aber speziell Antrieb, Schraubverbindungen sowie Schalt- und Bremszüge mögen keine Wassereinbrüche.